Hilft Unsterblichkeit beim Glücklichsein? dieGoerefragt #006


Aus dem Tagebuch einer Satiristin

Vergangene Woche hatte ich eine interessante Diskussion mit meiner Therapeutin. Ich beklagte mich mal wieder über mein unnützes Leben. Seit meiner frühesten Kindheit hoffe ich nun schon, etwas besonderes zu werden, wenn ich groß bin – sicherlich nur eine weitere neurotische Macke aus meinem leistungsorientierten Bildungsbürgerelternhaus, doch für mich ist es ein echtes Handicap: Es hindert mich daran, einfach glücklich und zufrieden zu sein, mit dem was ich tue bzw. eben nicht tue.

Meine Therapeutin bekommt jede Woche viel Geld dafür, damit ich eines Tages doch noch mit Inbrunst glücklich sein kann – zumindest ist das mein persönliches Therapie-Ziel. Ihr gegenüber würde ich das so vielleicht nicht zugeben, denn man weiß ja nie, nachhher findet sie mich damit nicht richtig therapie-würding. Zu meiner Ehrenrettung sei an dieser Stelle gesagt, dass ich keiner Krankenkasse damit auf der Tasche liege, dass ich glücklich werden will. Ich selbst zahle Woche für Woche den Preis für meine verschrobene Anspruchshaltung…

Glück und Wirksamkeit liegen ja nah beieinander. Davon bin ich überzeugt und das mochte auch meine Therapeutin letzte Woche mal wieder nicht abstreiten. Das Gefühl, auf die Umwelt eine gewünschte Wirkung zu haben und Spuren zu hinterlassen, macht Menschen ruhiger und versöhnt sie ein bisschen mit ihrer Endlichkeit. Macht Menschen. Macht… Nach einer Weile fragte mich meine Therapeutin, wie alt ich sei. Ich werde dieses Jahr 42 – und angesichts meiner Berufswahl werde ich in diesem Leben keinen Nobelpreis mehr gewinnen. Nun gibt es noch andere Wege in die weltweite Unvergesslichkeit, Harry Potter beispielsweise wurde auch erst jenseits der Vierzig erdacht. Doch wer, bitte schön, war noch gleich die Autorin? Jane Rowley…? Johanna Rowlings…? Sehen Sie, da haben wirs! Die Halbwertzeit als Autorin des seit einem Jahrzehnt weltweit bekanntesten Kinderbuchs ist bescheiden. Nehmen wir einmal an, es gehen pro Jahrhundert über den gesamten Globus verteilt nur zehn Menschen in die immerwährende Weltgeschichte ein, so wird für das vergangene Jahrhundert nur ein Deutscher darunter sein, da bin ich mir sicher: Adolf Hilter. Vielleicht wird er aufs Ganze gesehen sogar weltweit der einzige Mensch aus dem gesamten 20. Jahrundert sein, der auch noch in zweitausend Jahren ein Begriff ist. Dafür gäbe es eine ganz simple Erklärung: Er hat sich in die jüdische Geschichte eingebrannt, und Religionsgeschichte wird bekanntlich am hartnäckigsten tradiert. Ob Adlof Hitler glücklich war…? Ich ahne, dass diese Frage irgendwie verboten ist – und ich habe übrigens nicht vor, es mit diesem Mann aufzunehmen, in keinerlei Hinsicht. (Ich bin mir nichtmal sicher, ob es moralisch gesehen ok ist, ihn hier namentlich im Rahmen einer Satire zu nennen – naja, ich bin ja auch keine Titanic-Leserin…)

In die Geschichtsbücher zu kommen, kann ich mir also abschminken, Hitler hin oder her. Soweit war ich selbst schon nach zehn Minuten Therapiesitzung. Doch dieser Gedanke zieht gleich den nächsten nach sich: Mit Mittelmaß will ich mich gar nicht aufhalten, also nur so ein klitzekleines „Ding in the Universe zu putten“ (frei nach Steve Jobs, der in tausend Jahren mit Sicherheit vergessen sein wird), ist nicht meine Sache. Ich beschließe also zum x-ten Mal umzufokussieren: Versuche ich mich doch einfach mal in Sinnlosigkeit! Meine Therapeutin kennt diesen Wendepunkt bereits. Schließlich sehne ich mich ganz still und heimlich – so als ehrgeizige Tochter leistungsorientierter Bildungsbürger-Eltern – nach gepflegter Wirkungslosigkeit. Nur für den Moment leben. Zum Beispiel einfach nur mit den Kindern meiner Schwester zur Kletterwand… Meine Therapeutin schmunzelte, sie ist nicht dazu da, es mir leicht zu machen: Halt, die Gören würden sich an mich erinnern! Positiv! Und womöglich von mir dabei was fürs Leben lernen (Mut, Vertrauen usw.)!

Ach herrje. Gar nicht so einfach, ein Leben ohne Effekt. Aufs Ganze gesehen, werden wir übrigens alle vergessen sein, Harry Potter, Joanne K. Rowling, Steve Jobs und ich – und auch der, dessen name nicht genannt werden darf. Meine Therapeutin landete an dieser Stelle ihren entscheidenden Coup: Es kommt eh nur auf die Erinnerungen der Menschen an, die persönlich einen gekannt haben. Und die – darüber gibt es garantiert Studien – erinnern sich sowieso nicht an die Heldentaten wie die verfassten Bestseller oder die Erfindung des iPads, sondern an die gemeinsam erlebte Zeit. Die Kletterwand zum Beispiel. Ein bisschen mehr Kletterwand und ein bisschen weniger Geschichtsbuch-Schielerei. Die 50 Minuten waren um. Ich zahlte wie immer in bar und ging motiviert nach Hause. Motiviert wofür eigentlich?